Wir leben nun schon seit mehr als 1,5 Jahre mitten in einer weltweiten Pandemie. Nichts- destotrotz ist der dafür verantwortliche SARS-CoV-2-Virus verhältnismäßig noch eher unerforscht. Er greift mehrere Organe an, sorgt damit für viele verschiedene Symptome und lässt Menschen letztendlich unterschiedlich schwer an COVID-19 erkranken – oder auch überhaupt nicht. Ob jung oder alt, das Virus macht keinen Halt. Viele Risikofaktoren sind schon bekannt, doch nun wurden von einer Forschergruppe aus der Schweizer zwei neue entdeckt. Der ubumask-Blog klärt auf.
Forschende und Ärzte sind weiterhin verblüfft: COVID-19 erstreckt sich von jungen, gesunden Menschen, die auf Intensivstationen liegen, über ältere Menschen, die kaum einen Schnupfen entwickeln, bis hin zu Krebspatienten, die gar keine Symptome entwickeln. Wo zu Beginn der Pandemie noch gesagt wurde, man solle Menschen über 65 Jahre und solche mit Vorerkrankungen wie Krebs, Diabetes, Herz- oder Lungenerkrankungen schützen, so trifft es mittlerweile auch die viel Jüngeren. Viele Studien haben versucht, diese Verschiebung in der Demografie der an COVID-19 Erkrankten zu erklären. Da die Impfraten bei jungen Erwachsenen vergleichsweise noch eher niedrig sind, vermuten einige Experten, es könnte sich um eine Folge dessen handeln. Andere meinen, die noch viel infektiösere Delta-Variante könnte dafür verantwortlich sein.
In Forschungsarbeiten von Ärzten und Forschenden, unter anderem aus der Schweiz, gehen nun zwei neue Risikofaktoren hervor: Gene und Blutzuckerwerte. Die Erkenntnisse stammen von der AI-Projektgruppe Blue Brain an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), die eines ihrer Untersuchungsgeräte für die Analyse von Studien über COVID-19 umfunktionierte. Die Gruppe programmierte das Tool, um Schlüsselwörter in einer Datenbank mit mehr als 240.000 wissenschaftlichen Artikeln zu finden, in denen das SARS-CoV-2-Virus oder COVID-19 erwähnt werden. Das Ergebnis: Der Begriff "Glukose" wurde in den Artikeln 6326 Mal erwähnt, allein 3.000 Studien thematisierten dabei den Zusammenhang von „Glukose als Risikofaktor für COVID-19“. Zum Vergleich: Der Begriff SARS-CoV-2 wurde 49.386 Mal erwähnt. "Mit Hilfe dieses Prozesses der Wissensverarbeitung haben wir herausgefunden, dass ein hoher Blutzuckerspiegel praktisch jedes Stadium der SARS-CoV-2-Infektion fördert", sagt Emmanuelle Logette, Molekularbiologin beim Projekt Blue Brain.
Der erhöhte Spiegel scheint ideale Bedingungen für SARS-CoV-2 zu schaffen, um den ersten Stufen der Immunabwehr in der Lunge zu entkommen. Somit ist es einfacher für das Virus zu den tief in der Lunge liegenden Lungenbläschen, den Alveolen, zu gelangen. Außerdem fördert ein hoher Blutzucker akute Entzündungen und stört zusätzlich auch die Aktivität der Blutgefäße, wodurch lebensbedrohliche Thrombosen entstehen können. Da der Glukose-Stoffwechsel in höherem Alter und bei verschiedenen Grunderkrankungen gestört ist, erklärt der Blutzuckerspiegel das erhöhte Risiko für Coronavirus-Infektionen in diesen Gruppen, schreiben die Autoren. Diabetes ist ebenfalls ein bekannter Risikofaktor für COVID-19. Aber es ist nur eine der Krankheiten, die mit erhöhten Glukosewerten zusammenhängen. Die Analyse der Projektgruppe Blue Brain befasst sich nicht speziell mit Diabetes, sondern konzentriert sich ausschließlich auf die Auswirkung der Glukose im menschlichen Körper.
Bettina Heidecker, eine Expertin für Autoimmunerkrankungen an der Berliner Charité hatte eine weitere Vermutung. Ihre Hypothese: eine Gruppe von Genen – das sogenannte Humane Leukozyten-Antigen-System (HLA), welches für die Regulierung des Immunsystems zuständig ist –könnte erklären, warum gewisse Patienten im Krankenhaus nur relativ leichte Symptome entwickelten, während andere künstlich beatmet werden mussten. HLA wird bereits mit anderen Krankheiten wie Grippe oder rheumatoider Arthritis in Verbindung gebracht. Im Rahmen eines internationalen Projekts, wurden Daten aus Krankenhäusern aus aller Welt genutzt, um auffällige Zusammenhänge zwischen HLA und schweren Verläufen von Covid-19 zu untersuchen. Die Studie, die vor kurzem in einer Zeitschrift der renommierten "Lancet" veröffentlicht wurde, bestätigt: COVID-19-Patienten, mit einem bestimmten Subtyp des menschlichen Leukozyten-Antigens, genannt HLA-C * 04:01, mussten doppelt so häufig künstlich beatmet werden wie Erkrankte ohne dieses Gen. Also spielt auch die Genetik eine Rolle.
Die Forschergruppe kam zu wirklich wichtigen Erkenntnissen. Eine komplette Übersicht der Risikofaktoren könnte dem Gesundheitsweisen wesentlich helfen, das Verhalten von COVID-19 bei Erkrankten genauer vorherzusagen. Damit es dazu aber erst gar nicht kommt, hilft das Tragen einer filtrierenden Anti COVID-19 Maske, Impfen und das Einhalten von weiteren wichtigen Hygienemaßnahmen. Eine gesunde Ernährung kann außerdem laut der Studie sehr von Vorteil sein, die Auswirkungen einer Infektion gering zu halten.