Der Anteil der täglichen Neuinfektionen mit der neuen Omikron-Variante BA.5. ist in letzter Zeit sehr rasch angestiegen. Aber wie gut sind Geimpfte vor einer Ansteckung oder einem schweren Verlauf geschützt? Brauchen wir wohl doch eine vierte Impfung? Genau diese Fragestellung haben nun zwei verschiedene Studien untersucht.
Woche für Woche machen sie anteilig mehr Infektionen aus: Die Omikron-Variante BA.5 verbreitet sich rasant. Bereits seit 4 Wochen dominiert die Omikron-Subvariante BA.5 in Deutschland und hat damit die bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Variante BA.2 verdrängt. „Wir wissen ja, dass Omikron sehr ansteckend ist. BA.5 ist noch mal ein Ticken ansteckender und kann sich deshalb auch bei uns durchsetzen", schätzt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, die Situation ein. Er erwarte demnach im Sommer vergleichsweise hohe Inzidenzen. Auch der Virologe Martin Stürmer rechnet bereits in den kommenden Monaten mit einer nächsten Infektionswelle. So ausgeprägt wie die im letzten Herbst und Winter wird sie aber nicht sein, sagte er der „Hessenschau“ .
Amerikanische Wissenschaftler haben nun analysiert, wie gut wir dafür gewappnet sind. Dabei haben sie die Wirksamkeit von zweifach und dreifach Geimpften gegenüber den Varianten BA.4 und BA.5 sowie gegenüber einer weiteren, BA.2.12.1 verglichen. Dabei stellten sie fest: Eine Person, die zwei Dosen des mRNA-Impfstoffes Comirnaty (von BioNTech) oder mRNA-1273 (von Moderna) erhalten hatte, konnte die Varianten nicht neutralisieren. Der durch die zwei Dosen erhaltene Impfschutz reichte also nicht aus, um das Virus zu bekämpfen. Anders sieht es mit drei Dosen aus: laut der Forscher ist man besser geschützt. Zwar ist der Schutz im Vergleich zu den vorherigen Varianten BA.1 und BA.2 geringer - aber immer noch höher als bei einer zweifachen Impfung. „Die Auffrischungsimpfung lieferte ausreichende neutralisierende Antikörpertiter gegen die Untervarianten BA.4/5 und BA.2.12.1, wenn auch in geringerem Ausmaß als gegen BA.1 und BA.2“, resümieren die Wissenschaftler die Ergebnisse. Diese „unterstreichen die Bedeutung der Auffrischungsimpfung zum Schutz vor neu auftretenden Varianten“, heißt es. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachblatt “The New England Journal of Medicine" .
Auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) untersuchte in Kooperation mit Forschern der Main-Kinzig-Kliniken die Antikörperantwort nach Corona-Impfung, im speziellen mit dem Biontech-Impfstoff „Comirnaty“. Dazu analysierten sie den Anstieg der Antikörper (Titer) nach Auffrischimpfung(en) und wie schnell der Wert mit der Zeit nach der Impfung abnahm. Sie konnten ebenfalls feststellen, dass die Antikörperspiegel nach zweifacher Impfung, gegenüber der derzeit in Deutschland dominierenden Omikron-Variante gering sind. Nach einer ersten Auffrischungsimpfung, sprich nach 3 Dosen, erhöht sich der Titer zwar deutlich- aber nicht langfristig gegen alle Varianten. Hingegen sorgt eine zweite Auffrischimpfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty – was der vierten COVID-19-Impfung entspricht –dann erneut für einen deutlichen Anstieg Omikron- und Delta-neutralisierender Antikörper. Auch diese Ergebnisse aus Deutschland sprechen also deutlich für eine vierte Impfung.
Anhand der Daten könnte man denken, jeder sollte sich so schnell wie möglich wieder boostern lassen. Denn der Anteil der als noch infektiöser geltenden Untervariante BA.5 nimmt in Deutschland derzeit stark zu. Doch tatsächlich empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) die vierte Impfung bisher nur für Menschen über 70 Jahre und diejenigen, die ein besonders hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. Des Weiteren ist die Impfung für Pflegeheimbewohner und Personal medizinischer Einrichtungen gedacht. Auch wenn andere Länder wie Schweden die vierte Dosis schon allen Personen ab 65 Jahren empfiehlt und im Herbst sogar die fünften Dosen verabreichen will, bleiben deutsche Experten bei ihrem Vorhaben: Die vierte Impfung ist vorerst nur für Risikogruppen relevant. Weitere Experten stärken der Stiko den Rücken. Auch Carsten Watzl sehe aktuell noch keinen Bedarf für eine generelle Empfehlung zu einer vierten Impfung. Für immungesunde Menschen gelte, dass der Schutz vor schwerer Erkrankung auch mehr als sechs Monate nach der dritten Impfung immer noch sehr hoch sei. Wer sich dennoch - auch ohne unter die Stiko-Empfehlung zu fallen - ein viertes Mal impfen lassen möchte, könne dies tun. Dies schade nicht und man verbaue sich nichts in Bezug auf eine eventuell fünfte Impfung mit einem an Omikron angepassten Impfstoff.
Der Virologe Stürmer fasst die Situation ganz gut zusammen: „Für die Allgemeinbevölkerung macht es aktuell keinen Sinn, in Panik zu verfallen und massenhaft in die Impfzentren zu laufen“. Für den Spätsommer beziehungsweise Anfang Herbst plant BioNTech dann einen an Omikron-angepassten Impfstoff auf den Markt zu bringen. Bis dahin sollten wir vorsichtig sein, denn Corona ist noch nicht vorbei, so wie viele vielleicht denken. Gerade bei großen Veranstaltungen oder im Inneren empfiehlt es sich, auf Abstand zu achten, beziehungsweise eine FFP2- bzw. Anti COVID-19-Maske zu tragen.