Ist Corona jetzt endlich vorbei?

Das Leben fühlt sich für viele wieder wie früher an

Wie schätzen Experten die Situation ein?

Auf Konzerte gehen, große Feste besuchen oder verreisen – seit mehr als 2 Jahren waren diese schönen Dinge so gut wie unmöglich. Doch jetzt, wo der Sommer wieder kommt und wir uns im Jahr Drei der COVID-Pandemie befinden, fühlt sich das Leben für viele fast wieder „normal“ an. Ist es jetzt vorbei mit der Pandemie?

 

„Gibt es Corona überhaupt noch?“

Immer öfter hört man „Corona gibt’s doch gar nicht mehr“. Seit Omikron aufgetaucht ist, hat Corona für viele seinen Schrecken verloren. Und das, obwohl sich die Variante seit Ende des letzten Jahres mit einer zuvor unbekannten Geschwindigkeit ausgebreitet und innerhalb weniger Wochen mehrere Millionen Menschen in Deutschland infiziert hat. Doch diejenigen, die erkrankten, hatten – wenn überhaupt – vergleichsweise nur einen leichten Verlauf, vor allem auch dank der Impfungen. Ist der Pandemie-Ausnahmezustand der letzten Jahre also endlich vorbei? Karl Lauterbach, der deutsche Bundesgesundheitsminister, ist sich sicher: „Aus meiner Sicht leider nicht“, so laut einem Twitter-Post. Doch andere betrachten die Situation etwas optimistischer. Sie gehen davon aus, dass die Pandemie gerade zur Epidemie übergeht. Einen kurzen Überblick der Begrifflichkeiten „Epidemie, Pandemie und Co.“ geben wir euch in diesem Blogbeitrag hier.

 

COVID-19-Endemie könnte bald erreicht sein 

Doch endemisch bedeutet nicht automatisch gut. Denn natürlich können Menschen weiterhin an COVID-19 erkranken und sterben. Es würde nur bedeuten, dass es dann keine starke Häufung von Infektionen oder Erkrankungen mehr gäbe. „Im Fall von COVID-19 könnte das schon bald der Fall sein, denn Immunität – erworben durch Impfung und Infektion – schützt ganz gut davor“, sagt Friedemann Weber von der Justus-Liebig-Universität Gießen. Dennoch werden im Fall des Virus immer wieder neue Varianten eingeschleppt, die die Fallzahlen wieder rasch ansteigen lassen können. Wie die nächsten Monate aussehen werden, hängt also unter anderem stark von der Immunität der Bevölkerung ab. Doch wie sieht die Immunität in Deutschland derzeit aus?

 

Fast ganz Deutschland immunisiert

Wissenschaftler des Robert Koch-Instituts (RKI) haben vor kurzem modelliert, wie das Ausmaß der Immunität aussehen könnte. Nach ihren Untersuchungen sind nur knapp sieben Prozent der Menschen in Deutschland noch immunologisch naiv. Das bedeutet, dass diese weder geimpft noch über eine Ansteckung mit dem Coronavirus in Kontakt gekommen sind. Das Virus verbreitet sich um so besser, je größer der Anteil dieser Gruppe ist. Doch mit diesen sieben Prozent sollte das Virus in seiner Ausbreitung schon deutlich gehindert sein. Es ist jedoch unklar, wie gut die übrigen 93 Prozent jeweils vor weiterer Ansteckung und Erkrankung geschützt sind. Fachleute gehen davon aus, dass der Immunschutz mit der Zahl der Kontakte zunimmt, die eine Immunität herstellen – also mit der Zahl an Impfungen oder durchgemachten Infektionen. Vollständig Geimpfte, die bereits einen Booster erhalten und bestenfalls eine Infektion durchgemacht hätten, wären demnach am besten vor schwerer Erkrankung geschützt. Ungeimpfte Menschen, die sich in den vergangenen Monaten mit Omikron angesteckt haben, sind womöglich im kommenden Herbst kaum besser geschützt als Immunnaive. Vor allem, wenn die Symptomatik nur mild war, hat das Immunsystem womöglich keinen langfristig ausreichenden Immunschutz aufgebaut. Mehr dazu in diesem Blog.

 

Prognose der Intensiv-Situation für dieses Jahr

Wie die nächsten Monate hier in Deutschland ablaufen, hängt unter anderem auch von den Varianten ab, die uns begegnen werden. „Wenn im nächsten Herbst oder Winter immer noch Omikron-ähnliche Varianten bei uns vorherrschen, können wir mit der Anzahl der Immunnaiven wahrscheinlich gut zurechtkommen, sagt Carsten Watzl, Immunologe und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. „Wenn von Delta abgeleitete Varianten vorherrschen, ist die Gruppe der Immunnaiven größer, und das könnte dann immer noch Probleme bereiten.“ Dennoch gehören Überlastungen des Gesundheitssystems und der Intensivstationen der Vergangenheit an, so Christian Karagiannidis, wissenschaftlicher Leiter des Divi-Intensivregisters. „Da müssten wir schon sehr viel Pech haben.“ Laut dem Intensivmediziner müssen Krankenhäuser jedoch damit rechnen, dass es im Herbst/Winter eine Welle respiratorischer Erkrankungen, wie zum Beispiel der Grippe, geben wird.

 

Lockdowns im Herbst vermutlich nicht nötig

Der ein oder andere fragt sich nun vielleicht, wie es bezüglich der Maßnahmen im Herbst aussehen wird. Ob diese wieder verschärft werden müssen, sei extrem schwierig vorherzusagen, erklärt Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen. „Ganz harte Maßnahmen wie Lockdowns sollten aber nicht mehr nötig werden, vor allem wenn weitere Boosterung über den Sommer erfolgt. Auch die Infektiologin Marylyn Addo vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf schätzt die Situation ähnlich ein. Wegen der wachsenden Immunität rechnet sie nicht mit einem erneuten Lockdown. Jedoch geht sie davon aus, dass leichte Maßnahmen wie die Maskenpflicht aber wieder zurückkehren könnten. „Ich gehe davon aus, dass Maßnahmen wie die Maskenpflicht im Winter zurückkommen – jedenfalls im öffentlichen Raum und in Innenräumen, wo Abstand halten schwierig ist“, sagte sie.

 

Fazit

Kein Lockdown mehr – das wird die meisten wohl ziemlich freuen. Auch eine möglicherweise zurückkehrende Maskenpflicht über den Herbst/Winter wird vermutlich auch kein Problem mehr sein, da sich viele von uns mittlerweile an das Tragen einer FFP2- bzw. Anti COVID-19-Maske gewöhnt haben. Eine weitere gute Nachricht: im Herbst soll vermutlich ein an Omikron angepasster Impfstoff auf den Markt kommen. Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sehnt diesen bereits herbei. "Denn dieser schützt hoffentlich nicht nur vor einem schweren Verlauf, sondern auch vor einer Infektion und damit auch vor Long Covid", sagt er. Das Problem: grundsätzlich geht mit jeder Corona-Infektion das Risiko von Long COVID einher. Daher sollten wir auf jeden Fall versuchen, uns initial vor einer Ansteckung zu schützen, sodass es dazu erst gar nicht kommen kann; mit der Omikron-Impfung wird uns dies dann ein wenig erleichtert.