Künstliches Protein wird Hoffnungsträger für Medikament

Künstliches Protein als Grundlage für Corona-Medikament

Kann man schwere COVID-19 Erkankungen medikamentös verhindern?

Die Wissenschaft arbeitet auf Hochtouren, um Medikamente zu entwickeln, die COVID-19-Erkankungen behandeln bzw. sogar Infektionen verhindern können. Einer Gruppe Wissenschaftler der TU München ist mit ihren Forschungen ganz vorne mit dabei. Sie haben ein Protein entwickelt, das eine Infektion durch das SARS-CoV-2-Virus verhindern soll. Doch wie funktioniert das? In diesem ubumask Blog erfahrt ihr mehr.

 

Ein Fusionsprotein soll die Lösung sein

Bei der Infektion unserer Zellen mit SARS-CoV-2 passiert folgendes: das Virus nutzt ein Protein an der Oberfläche menschlicher Zellen als Eintrittspforte, das sogenannte Angiotensin-converting enzyme 2 (ACE2). Das Spike Protein des Virus greift dann dort an und infiziert die Zelle damit. Wie kann ein Medikament diesen Prozess nun verhindern? Die Lösung: es muss mehr ACE2-Protein vorhanden sein, damit die Viren dort andocken, anstatt an unseren Zellen selbst. Denn ein optimales Andocken ans ACE2-Protein ist für das Virus überlebensnotwendig, sodass das Virus einem Medikament, das auf diesem Protein basiert, nicht ausweichen kann. Leider hat das einfache ACE2-Protein im menschlichen Körper nur eine sehr kurze Halbwertszeit, da es von anderen Enzymen sehr schnell abgebaut wird. Um dies zu verhindern, haben die Wissenschaftler nun das ACE2-Protein mit einem Teil des menschlichen Antikörpers Immunglobulin G (IgG) verbunden, sodass ein Wirkstoff entsteht, der länger im Körper überlebt und das Spike-Protein des Virus blockieren kann. Dieses ACE2-Antikörper-Fusionsprotein (FYB207) stellt damit einen SARS-CoV-2 Blocker dar.

 

Bisherige Medikation auf dem Markt

Monoklonale Antikörper (IGG1-Antikörper) sind eine der bisher wirksamsten medikamentösen Therapien gegen SARS-CoV-2. Dabei werden rekombinante Antikörper zur Behandlung von COVID-19-Erkrankungen eingesetzt, die an verschiedenen Stellen der SARS-CoV-2-Viren andocken und damit nachweislich die Virusreplikation blockieren. Sie sind besonders wirksam, wenn sie bei positiv getesteten Risikopatienten früh gegeben werden, im besten Fall innerhalb von 7 Tagen nach der Diagnose. Bisher werden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nur drei weitere Behandlungen gegen eine COVID-Erkrankung empfohlen. Bei schwer erkrankten Patienten können Kortikosteroide verabreicht werden, die Entzündungen bekämpfen, welche bei schweren Corona-Fällen typischerweise auftreten. Auch die Arthritis-Medikamente Tocilizumab und Sarilumab werden seit Juli befürwortet, da sie eine gefährliche Überreaktion des Immunsystems auf das SARS-CoV-2-Virus unterdrücken, indem sie das Protein Interleukin-6 (IL-6), das Entzündungsreaktionen reguliert, hemmen. Das dritte, Baricitinib, gehört zu einer anderen Medikamentenklasse, funktioniert aber ähnlich wie die IL-6-Hemmer.

 

Warum ein neues, innovatives Medikament also so wichtig ist

Die derzeitigen Impfstoffe und Medikamente haben eines gemeinsam: da SARS-CoV-2 mutiert, kann es möglicherweise gegen Impfstoffe und Medikamente resistent werden. Die Leiterin des Instituts für Virologie der TU München und bei Helmholtz Munich, Prof. Ulrike Protzer, erklärt die Idee hinter ihrer Entwicklung: "Sowohl Impfstoffe als auch Antikörper-Medikamente haben das Problem, dass das Virus ihnen mit jeder erfolgreichen Mutation ein klein wenig ausweicht. Dadurch entstehen sogenannte Immune-Escape-Varianten. Hingegen ist der neue SARS-CoV-2 Blocker FYB207 hervorragend gegen Mutation geschützt und zeigt bei verschiedensten SARS-CoV-Varianten eine komplette Neutralisation. Damit kann FYB207 nicht nur zur Behandlung für COVID-19 Patienten eingesetzt werden, sondern es trägt auch zur Vorsorge gegen Ausbrüche neuer Corona-Viren bei.“, so Dr. Carsten Brockmeyer, CEO der Formycon AG, das Biotech-Untermehmen und Partner der Technischen Universität München.

 

Optimaler Schutz gegen Mutationen - doch wie?

"Das SARS-CoV-2-Virus und seine Verwandten werden die Menschheit auch in Zukunft weiter begleiten", sagt Ulrike Protzer. "Auch, wenn die Impfung schwere Krankheitsverläufe sehr zuverlässig verhindert, die deutlich ansteckenderen Delta- und Omikron-Varianten haben gezeigt, dass sich sowohl Genesene als auch Geimpfte erneut anstecken können. Vor dem Hintergrund zukünftiger, möglicherweise noch ansteckenderer Varianten brauchen wir daher neben der Impfung auch einen breit wirksamen Wirkstoff gegen dieses Virus." Denn das Virus entzieht sich durch Mutation dem Angriff der therapeutischen und teilweise sogar der natürlichen, nach einer Impfung ausgebildeten Antikörper. Doch wie schafft es das Fusionsprotein auch bei Mutation noch immer wirksam zu sein? Das künstliche Protein kann potenziell gegen allen Corona-Viren eingesetzt werden, die ACE2 als Eintrittspforte benutzen. Bei den in-vitro Versuchen, die in Zellkulturen stattfanden, hat der SARS-CoV-2-Blocker bislang bei den Virusvarianten Alpha, Beta und Delta funktioniert und soll auch bei weiteren Immune-Escape-Varianten wirksam sein. Versuche der neuen Omikron-Variante laufen seit Mitte Dezember.

 

Fazit

Impfstoffe und Antikörper alleine werden in der SARS-CoV-2-Pandemie nicht ausreichen. Das neue Fusionsprotein spendet Hoffnung. Der SARS-CoV-2-Blocker FYB207, der die Infektion von Zellen vollständig verhindert, soll im ersten Halbjahr 2022 klinisch getestet werden. Bis jedoch ein Medikament existiert, das uns wirksam vor einer Infektion schützt, sind das Tragen von FFP2-Masken bzw. leicht atembaren Anti COVID-19 Masken und das Einhalten von Mindestabständen die wirksamsten Methoden um eine Ansteckung zu vermeiden. Mehr dazu könnt ihr in diesem Blog hier lesen.