Nebenwirkungen bei COVID-19-Impfungen

Nebenwirkungen bei COVID-19-Impfung nur erfunden?

Schlechte Erwartungen = starke Impfreaktion?

Manche haben sie sehr ausgeprägt, manche nur ganz leicht. Andere haben sie wiederum gar nicht; Nebenwirkungen, Impfreaktionen oder wie auch immer man sie nennen mag. Eine neue Studie aus den USA lässt nun vermuten, dass viele Nebenwirkungen der Corona-Impfungen auf Placebo- bzw. Nocebo-Effekte zurückgehen. Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen? Und wie lassen sich diese Phänomene in Bezug auf die Impfung erklären? Der ubumask-Blog, der sich mit dieser interessanten Studie beschäftigt, klärt auf.

 

Scheinpräparat führt zu Nebenwirkungen

Ein Team von Forschenden des Beth Israel Deaconess Medical Center (BIDMC) in der US-Großstadt Boston hat zwölf Impfstoffstudien mit rund 45.380 Teilnehmern, die Impfreaktionen meldeten, analysiert. Dabei haben 22.802 Teilnehmer einen COVID-19-Impfstoff und 22.578 ein Scheinpräparat, ein Mittel ohne Arzneistoff, gespritzt bekommen. Überraschend ist, dass bei über einem Drittel der Placeboempfänger (rund 35 Prozent), sogenannte systemische Nebenwirkungen, also Effekte, die den ganzen Körper und nicht nur die Einstichstelle betreffen, auftraten. Am häufigsten wurde über Kopfschmerzen (19,6 Prozent) und Fatigue (16,7 Prozent) berichtet. 16 Prozent der Versuchspersonen gaben außerdem ein lokales Ereignis, wie Schmerzen an der Injektionsstelle, Rötung oder Schwellung an. Von den Teilnehmern, die tatsächlich mit einem Wirkstoff geimpft wurden, meldeten 46 Prozent mindestens eine systemische Nebenwirkung, knapp zwei Drittel klagten über lokale Effekte. Bei der zweiten Injektion stieg die Rate der unerwünschten Nebenwirkungen bei den Geimpften noch einmal deutlich an.

 

Wenn der Beipackzettel krank macht

"Unerwünschte Ereignisse nach einer Placebobehandlung kommen in randomisierten kontrollierten Studien häufig vor", sagte die Hauptautorin Julia W. Haas. Aber warum? Zunächst schauen wir uns einmal die Begriffe Placebo und Nocebo an. Abgeleitet vom lateinischen nocere (schaden) bedeutet Placebo „Ich werde gefallen.“ Hingegen heißt Nocebo „Ich werde schaden“. Nocebo gilt deshalb als "böser Bruder" des Placebo. Positive Erwartungen können die Wirksamkeit eines Präparats also verstärken und sogar bei einem Medikament ohne Wirkstoff zu einer positiven Wirkung führen (bspw. fühlt man sich gleich viel gesünder oder fitter) - der Placebo-Effekt. Umgekehrt sorgt beim Nocebo-Effekt allein die Erwartung negativer Folgen dafür, dass diese tatsächlich zu spüren sind. Belege für diese Noceboreaktionen in Impfstoffstudien sind wichtig, weil die Sorge vor Nebenwirkungen bei der COVID-19-Impfung häufig als Grund für die Ablehnung einer Impfung angegeben wurde. Symptome wie Kopfschmerzen und Müdigkeit werden zudem in vielen Beipackzetteln als häufigste Nebenwirkungen nach einer COVID-19-Impfung aufgezählt, sagte der Letztautor Ted J. Kapt­chuk. Das kann dazu führen, dass Ängste und Sorgen ausgelöst werden, die Menschen alltägliche Empfindungen fälschlicherweise auf den Impfstoff zurückführen lassen.

 

Richtige Aufklärung, ohne Angst zu machen

Nocebo hin oder her. Wichtig ist nun jedoch, zu verstehen, dass es sich bei Symptomen, die durch den Nocebo-Effekt hervorgerufen werden, eben nicht nur um Einbildung handelt. "Die Symptome sind genauso real wie andere Symptome. Man kann sie mit Messinstrumenten sichtbar machen." sagt Michael Witthöft, Universitätsprofessor in der Abteilung für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Experimentelle Psychopathologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er forscht sich schon seit 10 Jahren zum Thema Nocebo. "Menschen sind unterschiedlich anfällig für den Nocebo-Effekt", sagt er. Grundsätzlich kann er bei den meisten auftauchen, jedoch mit unterschiedlicher Intensität. Viele Faktoren spielen dafür eine Rolle: die Persönlichkeit, die Erfahrungen, die man im Leben etwa mit Medikamenten und Impfungen schon gemacht hat. Belastung, Stress und Angst können Menschen anfälliger machen. Einen Einfluss können aber auch Berichte von Freunden und Bekannten oder Informationen über die Nebenwirkungen aus Sozialen Medien und Co. haben. Eventuelle Nebenwirkungen in Zukunft zu verschweigen, ist allerdings auch keine gute Idee. Damit würde das Vertrauen in die Medizin stark beschädigt. Stattdessen ist es notwendig, Menschen besser über Placebo- und Nocebo-Effekte zu informieren und aufzuklären.

 

Fazit

Ist das Ergebnis der Studie nun wirklich überraschend? Nein. Ähnliche Werte beim Nocebo-Effekt findet man in allen Bereichen, wo Medikamente verabreicht werden. "Vielleicht ist er in der Pandemie etwas stärker ausgeprägt, weil alles bedrohlich, sehr aufgeladen und emotional ist.", vermutet Witthöft. Deshalb, habt kein Angst vor möglichen Impfreaktionen oder Nebenwirkungen, denn laut der Analyse, ist der Nocebo-Effekt für 76 Prozent der beschriebenen systemischen Nebenwirkungen in der Impfstoffgruppe und für fast ein Viertel aller gemeldeten lokalen Auswirkungen verantwortlich. Damit ihr euch außerdem nicht ansteckt, folgt den beiden wirksamsten Mitteln: das Tragen einer FFP2- bzw. Anti COVID-19 Maske und Einhalten von Mindestabständen. Bleibt gesund!