Welchen Einfluss hat SARS-CoV-2 auf unseren Darm?
Dass SARS-CoV-2 ein Multiorganvirus ist, wissen wir schon länger. Forscher konnten nun bei ehemaligen Corona-Positiven Veränderungen im Darm feststellen. Aber warum? Der Mikrobiologe und Infektionsforscher Jan Kehrmann klärt uns darüber auf, ob das Virus dafür verantwortlich ist. Was bedeutet das für mögliche künftige Wellen? Der ubumask-Blog erklärt, wie es nun weitergehen könnte.
Immunantwort auch im Darm
Grundsätzlich helfen unsere Darmbakterien dabei, dass wir gesund bleiben. Sie verstoffwechseln Bestandteile der Nahrung, die von menschlichen Zellen nicht verwerten werden können. Die Botenstoffe, die dabei entstehen, wirken nicht nur im Darm, sondern gelangen über den Blutstrom auch in andere Organe. In Tiermodellen konnte bereits festgestellt werden, dass diese Botenstoffe beispielsweise Immunantworten und Verläufe von Virusinfektionen der Lunge beeinflussen. Für die SARS-CoV-2 Infektion beim Menschen ist dies bisher unklar. Doch nun die Frage: besitzen Patienten, die sich im Krankenhaus vorstellen, ein verändertes Darmmikrobiom? Und könnte man nun anhand der Zusammensetzung des Darmmikrobioms frühzeitig herausfinden, welche Patienten einen schweren Verlauf entwickeln?
Was ist überhaupt das "Darmmikrobiom"?
Das Darmmikrobiom beschreibt einfach gesagt die Zusammensetzung der Darmbakterien. Der Mensch besteht aus 30 Billionen Körperzellen. Sowohl in als auch auf uns gibt es ungefähr 39 Billionen Bakterien; der Großteil davon befindet sich im Darm. Tatsächlich kann man bei gesunden Menschen mehrere Hundert unterschiedliche Bakterienstämme im Darm finden. Um die exakte bakterielle Zusammensetzung zu bekommen, gibt es seit ca. 15 Jahren verschiedene Methoden dafür. Um das Darmmikrobiom im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 nun genauer unter die Lupe zu nehmen, wurden bei mehr als 200 Patienten, die sich in der Universitätsklinik Essen vorstellten, Rektalabstriche kurz nach der Aufnahme gemacht. Die eine Hälfte war Corona-positiv, der Rest ist aus anderen Gründen in das Krankenhaus gekommen und war Corona-negativ.
Artenvielfalt deutlich verringert
Die Ergebnisse: das Darmmikrobiom war bei SARS-CoV-2-Infizierten deutlich verändert. Zum einen war das Darmmikrobiom durch einen geringeren Bakterienreichtum gekennzeichnet und zum anderen waren insgesamt weniger verschiedene Bakterien vorhanden. Allgemein könnte man sagen, dass die Artenvielfalt verringert war. Stattdessen waren bestimmte Bakterien vermehrt, die auch gehäuft bei entzündlichen Erkrankungen des Darms vorkommen. Bakterien mit entzündungshemmenden Eigenschaften konnten dafür aber leider weniger gefunden werden. Die Veränderungen zwischen Patienten mit leichtem und schwerem Corona-Verlauf waren jedoch nicht so stark ausgeprägt. Es gab demnach keine Hinweise darauf, welche Patienten einen leichten und welche einen schweren Verlauf entwickeln.
Ähnlich wie Henne-Ei-Problematik
Die Frage, die man sich nun stellt ist, ob Corona-positive Menschen die Veränderungen im Mikrobiom schon vor der Infektion aufwiesen oder sie erst durch die Infektion aufgetreten sind. Das ist eine gute Frage und ähnlich wie das Henne-Ei Problem. Bislang können Forscher dies nicht genau sagen. Bei den Patienten, die untersucht wurden, war zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ja schon eine gewisse Zeit seit der Infektion vergangen. Ein Vergleich vor und nach Infektion wäre wünschenswert, ist jedoch in den Studien schwer umsetzbar. Man kann nie wissen, wann sich jemand infiziert, um vorher noch eine Probe zu entnehmen. Was es tatsächlich gab, war eine Untersuchung an Primaten, die man gezielt infiziert hat. Hier hat man sich das Darmmikrobiom einmal vor und einmal nach der Infektion angeschaut. Dabei konnten Forscher feststellen, dass sich das Darmmikrobiom in den Tieren erst nach der Infektion verändert hat.
Einnahme von prophylaktischen Probiotika
Wenn man nun davon ausgeht, dass das Darmmikrobiom Schutz vor einem schweren COVID-19-Verlauf bietet, könnte es dann nicht Sinn machen, die Darmflora prophylaktisch, also schon im Voraus, zu stärken? Diese Frage können Wissenschaftler zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau beantworten. Es laufen momentan Studien, die untersuchen, ob Probiotika einen positiven Einfluss auf den Verlauf der akuten COVID-19 Erkrankung haben. Auch wird die Rolle des Darmmikrobioms in Bezug auf Long COVID, also Beschwerden, die nach der akuten COVID-19 Erkrankung fortbestehen, untersucht. Eventuell könnten Probiotika auch hier einen positiven Einfluss auf den Verlauf haben. Erste kleinere Studien deuten darauf hin, dass ein positiver Einfluss vorhanden sein könnte, jedoch braucht es aber noch mehr Studien, um hier wirklich zuverlässige Aussagen treffen zu können.
Fazit
Eine SARS-CoV-2 Infektion hat also nicht nur Effekte auf die Lunge, sondern auch auf andere Organe wie beispielsweise das Gehirn, die Nieren oder eben den Darm. Ob Probiotika sinnvoll sind, um sich besser vor einem schweren Verlauf bzw. Long COVID zu schützen, ist noch unklar. Was jedoch wichtiger ist, ist sich initial vor einer Ansteckung, bzw. einer Infektion zu schützen. Dafür sind FFP2- bzw. Anti COVID-19 Masken besonders gut geeignet.
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