Wie entsteht Long COVID? Die 4 Haupt-Hypothesen

Forscher diskutieren mehrere Ursachen für Long COVID

Wie erklären sich Wissenschaftler Long COVID-Symptome?

Eine Vielzahl an Personen leidet trotz überstandener Corona-Infektion noch Wochen oder sogar Monate danach an unterschiedlichsten körperlichen oder psychischen Problemen. Sogenanntes „Long COVID“ ist mittlerweile den meisten Menschen ein Begriff. Doch woran es liegen kann, dass diese Krankheit entsteht, weiß niemand so genau. Jedoch werden derzeit vier Haupthypothesen diskutiert. Der ubumask-Blog klärt auf.

 

Long COVID - ein kleiner Überblick

Grundsätzlich spricht man von Long COVID, wenn Beschwerden noch länger als vier Wochen nach einer Corona-Infektion auftreten. Zu den am häufigsten beschriebenen Symptomen gehören anhaltende Müdigkeit ("Fatigue"), kognitive Probleme wie Konzentrations- oder Gedächtnisschwierigkeiten ("Brain Fog") oder anhaltender Geschmacks- und Geruchsverlust. Doch was genau steckt hinter diesen Problemen? Wissenschaftler haben nun in der renommierten Medizin-Fachzeitschrift „ The Scientist “ über die vier Haupt-Hypothesen gesprochen – mit Verweis auf mehrere Studien. Autoimmunreaktion, Entzündung, anhaltende Virus-Reste im Körper und Gerinnungsstörungen. Das sind die vier wissenschaftlichen Begründungen, die derzeit als am wahrscheinlichsten gelten. Doch sehen wir uns diese doch einmal genauer an.

 

Autoimmunreaktion des Körpers

Laut dieser Theorie kann man die Long COVID-Symptome auf eine Autoimmunreaktion des Körpers zurückführen. Wissenschaftler glauben, dass das durch die Infektion angekurbelte Immunsystem später „versehentlich“ die eigenen Zellen angreift. Für diese Theorie spricht, dass die Long COVID-Symptome denen anderer Autoimmunerkrankungen, insbesondere der ME/CFS, auch bekannt als Fatigue-Syndrom, ähneln. In verschiedenen Fachzeitschriften wie etwa „Nature“, „European Respiratory Journal“ und „Journal of Translational Medicine“ wurden bereits mehrere Studien zu diesem Thema veröffentlicht. Auf Zellebene vermutet man, dass B-Lymphozyten Auto-Antikörper produzieren, die der Kontrolle des Immunsystems entkommen. Möglicherweise werden auch latente Viren im Körper reaktiviert, die Autoimmunerkrankungen auslösen können. Ein Beispiel wäre das Epstein-Barr-Virus, das mit vielen Autoimmunerkrankungen in Verbindung steht.

 

 Langanhaltende Entzündungsreaktion

COVID-19 könnte jedoch einer anderer Theorie zufolge das Immunsystem aus dem Takt bringen und so für eine langanhaltende Entzündungsreaktion sorgen. Ob eine solche Entzündungsreaktion im Körper stattfindet, kann man anhand bestimmter Botenstoffe, den Zytokinen, messen. Das Ergebnis einer Studie, veröffentlicht in dem Fachblatt „ Nature “ ist, dass bei 82 Prozent der Long COVID -Patienten ein bis acht Monate nach der Infektion noch immer Zytokine und aktivierte Immunzellen im Blut nachgewiesen werden konnten – das Immunsystem ist also weiterhin in höchster Alarmbereitschaft. Auch weitere Studien berichten von erhöhten Zytokinwerten. Doch wieso entsteht diese Entzündung und wie genau führt sie zu Long COVID-Symptomen? Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung am Tiermodell verglich die Auswirkungen einer SARS-CoV-2-Infektion mit denen des Grippevirus. Ersteres sorgt für eine weit verbreitete Entzündung und längerfristige Schäden an Nieren, Lunge und Gehirn. Auch die Nasenschleimhaut und der Riechkolben (Teil des Gehirns, der den Geruchssinn verarbeitet) waren noch lange nach dem Verschwinden des Virus entzündet. Laut den Autoren könnten die Neuronen des Riechkolbens die Entzündung auf das umliegende Gewebe übertragen haben. Infolgedessen könnten die Neuronen möglicherweise nun so "verdrahtet" sein, dass sie ständig Entzündungsmarker produzieren.

 

Corona-Geister" sorgen für Symptomatik

Über die 3. These haben wir bereits in diesem Blog gesprochen. Um es aber nochmal zusammenzufassen: es geht darum, dass SARS-CoV-2 nie ganz aus dem Körper verschwinden wird. Das Virus oder „Reste“ des Virus (sog. Corona-„Geister“) bleiben auch Monate nach Infektion noch irgendwo im Körper und können so weiter Entzündungen verursachen. Dies wird unter anderem in einer Studie, die am 2. September in der Zeitschrift „Clinical Infectious Diseases“ veröffentlicht wurde, diskutiert. Die Harvard-Forscher David Walt und sein Team haben bei 70 Prozent der Long COVID-Patienten geringe Mengen des Corona-Spike-Proteins im Blut gefunden. „Es gibt eindeutig Anzeichen für eine anhaltende Virusinfektion“, kommentierte Walt die Studie. In einer weiteren Studie hat die Stanford-Ärztin und Genforscherin Ami Bhatt Belege dafür gefunden, dass das Virus den Magen-Darm-Trakt infiziert und dort möglicherweise länger überlebt. Sie und ihr Team fanden eine Woche nach der Infektion Sars-Cov-2-RNA in den Fäkalien von 50 Prozent aller Corona-Patienten. Sieben Monate später konnte es noch bei vier Prozent der Corona-Patienten nachgewiesen werden.

 

Auch Gerinnungsstörungen könnten die Ursache sein

Nicht zuletzt vermuten einige Wissenschaftler auch, dass winzige Blutgerinnsel zu der Entwicklung von Long COVID-Symptomen beitragen könnten. Die Theorie ist, dass entzündliche Moleküle, die bei vielen Patienten verstärkt beobachtet werden konnten, für eine anormale Gerinnung sorgen. So können Schlaganfälle, Herzinfarkte und gefährlichen Blockaden in Beinen und Armen entstehen. Laut Wissenschaftlern von der Stellenbosch University in Südafrika und der University of Liverpool, sind Mikroklumpen von Blutzellen für viele Long COVID-Symptome verantwortlich. Diese winzigen Klumpen könnten die Kapillaren (Übergang zwischen Arterien und Venen) verstopfen und so den Fluss der roten Blutkörperchen und damit den Sauerstoff-Austausch einschränken. Das könne "den meisten dieser Long COVID-Symptome zugrunde liegen“, heißt es in der Studie.

 

Fazit

Es gibt also viele wissenschaftliche Theorien, die versuchen, die über 200 Long COVID-Symptome mit einer Corona-Infektion in Verbindung zu bringen. Doch welche der Wahrheit entspricht, weiß man bisher nicht. Was wir jedoch bereits wissen, ist, dass das Tragen einer gutsitzenden und -filtrierenden FFP2- bzw. Anti COVID-19-Maske als wichtigste Maßnahme zum Schutz vor einer Infektion gilt. Mehr darüber könnt ihr in diesem Blog lesen, in dem es um eine neue wichtige Studie des Max-Planck-Instituts geht.